Respektloses Verhalten | Abmahnung

Worum geht es?

Wer sich respektlos gegenüber seinem Vorgesetzten oder Arbeitgeber äußert, begeht eine arbeitsvertragliche Nebenpflichtverletzung. Diese rechtfertige eine Abmahnung, urteilte das Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz.

Denn zu den arbeitsvertraglichen Pflichten eines Mitarbeiters gehört es, respektvoll mit Vorgesetzten, Kollegen und anderen Menschen umzugehen. Im nachfolgenden Beispielfall war der betroffene Arbeitnehmer bei dem Arbeitgeber als Schichtführer beschäftigt.

Als er an einem Freitagnachmittag nach Feierabend das Betriebsgelände verlassen wollte, begegnete er im Treppenhaus seinem Vorgesetzten. Der Arbeitnehmer verabschiedete sich von seinem Vorgesetzten mit dem Satz: „Ich wünsche Ihnen ein scheiß Wochenende“.

Der Vorgesetzte beschwerte sich daraufhin beim Arbeitgeber. Dieser erteilte dem Arbeitnehmer sodann nach Rücksprache mit seinem Anwalt für Arbeitsrecht eine Abmahnung.

Begründung: Zu den Pflichten des Arbeitnehmers gehöre auch der respektvolle und wertschätzende Umgang mit den Arbeitskollegen und anderen Menschen, insbesondere mit den Vorgesetzten zu Pflege einer auskömmlichen Beziehung. Indem der Arbeitnehmer seinem Vorgesetzten ein „Scheiß Wochenende“ gewünscht habe, habe er gegen diese Pflichten verstoßen.

Der Arbeitnehmer wollte diese Abmahnung nicht auf sich sitzen lassen und verlangte, sie aus der Personalakte zu entfernen. Da der Arbeitgeber sich nicht darauf einließ, kam die Sache vor Gericht.

In der ersten Instanz erhielt der Arbeitnehmer Recht. Der Arbeitgeber wurde dazu verurteilt, die Abmahnung aus der Personalakte des Arbeitnehmers zu entfernen. Der Rechtsanwalt des Arbeitgebers legte daraufhin Berufung ein.

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz beurteilte die Abmahnung dann als wirksam

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Respektloses Verhalten - Rechtsprechung

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz entschied, dass es sich bei der Wortwahl des Arbeitnehmers um eine unangemessene und respektlose Äußerung handele. Der Arbeitgeber müsse dieses Verhalten nicht akzeptieren.

Damit habe der Arbeitnehmer gegen die ihm nach § 241 Abs. 2 BGB obliegende Pflicht zur Rücksichtnahme verstoßen. Diese bedeute, dass sich jeder Arbeitnehmer gegenüber seinen Arbeitskollegen, anderen Menschen und insbesondere auch seinen Vorgesetzten mit einem gewissen (Mindest-)Maß an Respekt zu verhalten habe.

Die Richter urteilten, dass es auf eine strafrechtliche Bewertung der Äußerung des Arbeitnehmers nicht ankäme.

Daraus lässt sich entnehmen, dass die Äußerung des Arbeitnehmers wohl keine Beleidigung iSd § 185 StGB darstellt. Ferner käme es auch nicht darauf an, dass sich der Arbeitnehmer etwa in einer angespannten Situation befunden habe.

Im konkreten Fall ging es um häufig angeordnete Überstunden. Auch dann sei er jedenfalls zu derartigen Äußerungen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt berechtigt gewesen. Der Arbeitgeber hätte zudem auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet.

Anders formuliert: dem Arbeitnehmer wurden durch die Abmahnung keine unverhältnismäßig großen Nachteile zugefügt. Es gab auch keine weniger schwerwiegende Maßnahmen, die den Interessen des Arbeitgebers ebenso gut Rechnung getragen hätten.

Wann gilt eine Abmahnung als unwirksam?

Zum Beispiel ist eine Abmahnung dann als unverhältnismäßig und somit als unwirksam einzustufen, wenn es sich bei der Pflichtverletzung um einen Bagatellverstoß handelt.

Beispiel: Der Arbeitnehmer vergaß, am Ende des Arbeitstages seinen PC herunterzufahren, sodass dieser die ganze Nacht über lief.

Eine Abmahnung wäre in diesem Fall unverhältnismäßig. Eine Abmahnung ist aber nicht allein deswegen unzulässig, weil der Arbeitgeber auch über den erhobenen Vorwurf hätte hinwegsehen könnte.

Schließlich könnte man ja auch argumentieren, dass dem Arbeitnehmer ein bewusster Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten fernlag.

Auch wenn vorliegend die Äußerung des Arbeitnehmers keinen strafrechtlich relevanten Charakter hatte, so habe es sich dennoch nicht nur um eine ganz geringfügige Pflichtverletzung gehandelt, urteilten die Richter.

Die Abmahnung war also auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit wirksam.

Respektloses Verhalten - Erläuterung

Die Entscheidung ist juristisch betrachtet nachvollziehbar und verwundert nicht. Die Äußerung mag zwar im strafrechtlichen Sinne nicht beleidigend sein, jedoch stellt sie ganz offensichtlich eine Unhöflichkeit und Respektlosigkeit an der Grenze zur Beleidigung dar.

Es entspricht offensichtlich nicht einem zivilisierten Umgang, derartige Äußerungen gegenüber Vorgesetzten oder Kollegen zu treffen. Andererseits ist hier zu berücksichtigen, dass sich der Fall im Fuhrgewerbe abspielte.

Zwischen LKW-Fahrern und Personen ähnlicher Berufe herrscht bekanntermaßen regelmäßig ein deutlich rauerer Ton als beispielsweise im Büro. Vor diesem Hintergrund ist die Äußerung sicherlich etwas mildernd zu bewerten. Interessant ist auch, dass das erstinstanzliche Gericht die Abmahnung als unwirksam eingestuft hatte.

Dies mag mit den „wahren Gründen“ der Abmahnung zu tun haben. Der abgemahnte Arbeitnehmer war Vorsitzender des Betriebsrates und hatte fünf Abmahnungen auf einen Schlag erhalten.

Hinzukommt, dass es zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erhebliche Differenzen über Überstunden gab. Dem Arbeitgeber dürfte es hier auch um eine gewisse Disziplinierung des Betriebsratsvorsitzenden gegangen sein.

Vermutlich nahm er jegliche Verstöße zum Anlass, Abmahnungen auszusprechen. Wie so häufig lässt sich auch hier eine „Geschichte“ hinter dem Prozess erkennen, die im juristisch aufbereiteten Sachverhalt nur kurz aufblitzt.

Tipps für Arbeitsnehmer bei respektlosem Verhalten

Wird Ihnen zu Unrecht eine Abmahnung erteilt, so können Sie in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB verlangen, dass die Abmahnung aus der Personalakte entfernt wird. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn

  • die Abmahnung formell nicht ordnungsgemäß erstellt worden ist,
  • unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält oder
  • auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung Ihres Verhaltens beruht.
 

Die Erfahrung zeigt, dass Abmahnungen in der Mehrzahl der Fälle formell nicht ordnungsgemäß erstellt worden sind. Statt eines konkret bezeichneten Fehlverhaltens enthalten sie oft nur pauschale Vorwürfe.

Häufig wird dem Arbeitnehmer ein korrektes Alternativverhalten entweder gar nicht oder nur unzureichend aufgezeigt. Haben Sie eine Abmahnung erhalten, empfiehlt sich daher in jedem Fall eine Beratung durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Es bestehen gute Chancen, die Abmahnung aus Ihrer Personalakte zu entfernen. Ob dies rechtlich bzw. taktisch sinnvoll ist, ist eine andere Frage.

Tipps für Arbeitgeber bei respektlosem Verhalten

Das Bundesarbeitsgericht hat hohe Anforderungen aufgestellt, damit eine Abmahnung wirksam wird. Neben den formalen Anforderungen muss die Abmahnung inhaltlich drei Funktionen erfüllen:

die Dokumentationsfunktion (Pflichtverstoß des Arbeitnehmers), die Hinweisfunktion (Aufzeigen des vertragsgerechten Verhaltens) sowie die Warnfunktion (Androhung von Konsequenzen im Wiederholungsfall). Die Erfahrung zeigt, dass ca. 70 Prozent der ausgesprochenen Abmahnungen unwirksam sind!

Daher empfiehlt sich in jedem Fall die Beratung durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht. Dieser wird – nach Prüfung des Einzelfalls – eine rechtswirksame, gerichtsfeste Abmahnung erstellen.

Eine rechtswirksame Abmahnung ist deshalb besonders wichtig, weil sie den Grundstein für eine spätere Kündigung legt. So setzt die Wirksamkeit einer verhaltensbedingten Kündigung im Regelfall eine wirksame Abmahnung voraus.

Ist die Abmahnung unwirksam, ist auch die spätere Kündigung automatisch unwirksam. Gerade bei der Abmahnung von Betriebsratsmitgliedern sollten Sie formelle und materielle Fehler vermeiden.

Die Gerichte legen hier einen besonders strengen Maßstab an.

Bitte beachten Sie, dass unsere Ausführungen zum Thema respektloses Verhalten eine umfassende Rechtsberatung nicht ersetzen können und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Wenn Sie weitere Fragen haben oder eine ausführliche Beratung wünschen, nehmen Sie einfach Kontakt zu uns auf.

  • Pascal Croset
    Fachanwalt  Arbeitsrecht
    Tel.: +49 (0)30 31 568 110
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    Dorit Jäger
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    Klaus-Benjamin Liebscher
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    Robert Strauß
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