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Das Günstigkeitsprinzip ist ein arbeitsrechtlicher Grundsatz, der besagt, dass bei mehreren geltenden Regelungen immer die für Arbeitnehmer*innen günstigste Anwendung findet. Es kommt insbesondere dann zur Anwendung, wenn unterschiedliche Rechtsquellen – etwa Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag – nebeneinanderstehen. In solchen Fällen wird geprüft, welche Regelung für die konkrete Situation die besseren Bedingungen bietet. Der Maßstab ist dabei immer die individuelle Verbesserung für die Arbeitnehmerseite, zum Beispiel bei Gehalt, Urlaub oder Kündigungsfristen.
Das Günstigkeitsprinzip schützt damit vor einer Verschlechterung durch kollektivrechtliche oder vertragliche Vereinbarungen.
Das Rangprinzip und das Günstigkeitsprinzip sind zwei zentrale Regelungsmechanismen im Arbeitsrecht, die festlegen, wie unterschiedliche Rechtsquellen – wie Gesetze, Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder Arbeitsverträge – zueinander stehen. Das Rangprinzip ordnet diese Rechtsquellen nach einer festen Hierarchie. In der Regel gilt: Das Gesetz steht an oberster Stelle, gefolgt vom Tarifvertrag, dann der Betriebsvereinbarung und zuletzt dem individuellen Arbeitsvertrag. Eine niedrigere Regelung darf von einer höherrangigen nur dann abweichen, wenn diese Abweichung ausdrücklich gesetzlich zugelassen ist. So soll sichergestellt werden, dass die Grundstruktur des Arbeitsrechts gewahrt bleibt und z. B. ein Arbeitsvertrag nicht einfach gesetzliche Mindeststandards unterschreitet, wenn das Gesetz dies nicht erlaubt.
Das Günstigkeitsprinzip hingegen stellt diese starre Hierarchie in bestimmten Fällen zugunsten der Arbeitnehmerinnen infrage. Es kommt immer dann zum Tragen, wenn mehrere Regelungen nebeneinander Anwendung finden könnten – beispielsweise wenn sowohl ein Tarifvertrag als auch ein Arbeitsvertrag eine bestimmte Regelung enthalten. In einem solchen Fall prüft man, welche Regelung für den oder die Arbeitnehmerin günstiger ist. Ist etwa im Tarifvertrag eine Urlaubsregelung mit 28 Tagen enthalten, aber der Arbeitsvertrag sieht 30 Tage vor, dann gilt die günstigere arbeitsvertragliche Regelung, obwohl sie aus einer formal niedriger gestellten Quelle stammt.
Die historische Entstehung des Günstigkeitsprinzips im Arbeitsrecht ist eng mit der Entwicklung des kollektiven Arbeitsschutzes und der sozialen Absicherung von Arbeitnehmerinnen verbunden. Ursprünglich war das Arbeitsverhältnis ein rein privatrechtlicher Vertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer – formal gleichberechtigt, praktisch jedoch stark von einem Machtungleichgewicht geprägt. Mit dem Aufkommen der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert und der damit verbundenen Massenarbeiterschaft wurde zunehmend sichtbar, dass gesetzliche Schutzmechanismen notwendig sind, um die ökonomisch schwächere Position der Arbeitnehmerinnen auszugleichen.
In diesem Kontext entstand das Arbeitsrecht als eigenständige Rechtsmaterie mit dem Ziel, Mindeststandards für Löhne, Arbeitszeiten, Kündigungsschutz und Arbeitsbedingungen festzulegen. Parallel dazu entwickelten sich kollektive Regelungsinstrumente wie Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen, die über gesetzliche Mindeststandards hinausgehen konnten. Um sicherzustellen, dass Arbeitnehmer*innen nicht schlechter gestellt werden, wenn mehrere Regelungsebenen aufeinandertreffen, bildete sich das Günstigkeitsprinzip heraus – zunächst als ungeschriebener Grundsatz, später in der Rechtsprechung anerkannt.
Besonders im 20. Jahrhundert wurde das Günstigkeitsprinzip zunehmend kodifiziert und gefestigt. Die deutsche arbeitsrechtliche Literatur und Rechtsprechung begannen, das Prinzip systematisch anzuwenden – beispielsweise im Tarifvertragsgesetz oder im Betriebsverfassungsgesetz. Die Idee dahinter: Auch wenn der Gesetzgeber oder ein Tarifvertrag Regelungen vorgibt, sollen individuell bessere Vereinbarungen (z. B. im Arbeitsvertrag) erhalten bleiben dürfen, wenn sie für den oder die Arbeitnehmer*in vorteilhafter sind. Das Günstigkeitsprinzip wurde damit zu einem wichtigen Instrument, um den sozialen Schutzzweck des Arbeitsrechts konsequent umzusetzen und individuelle Vorteile nicht durch kollektive Regelungen zu verlieren.
Das kollektive Günstigkeitsprinzip ist eine besondere Ausprägung des allgemeinen Günstigkeitsprinzips im Arbeitsrecht. Es regelt das Verhältnis zwischen verschiedenen kollektivrechtlichen Regelungen, insbesondere zwischen Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen, wenn beide denselben Sachverhalt betreffen – zum Beispiel Arbeitszeiten, Urlaub oder Entgeltregelungen. Dabei geht es nicht um den Vergleich zwischen einer individuellen Regelung (wie dem Arbeitsvertrag) und einer kollektiven Norm, sondern um den Vergleich zwischen zwei Kollektivnormen, die gleichzeitig auf das Arbeitsverhältnis einwirken.
Grundsätzlich folgt das Arbeitsrecht dem sogenannten Rangprinzip, wonach der Tarifvertrag gegenüber der Betriebsvereinbarung höherrangig ist. Das bedeutet: Eine Betriebsvereinbarung darf Regelungen aus einem Tarifvertrag nicht verschlechtern oder verändern, soweit der Tarifvertrag „tarifgebunden“ und der Inhalt „tariflich regelbar“ ist. Das ergibt sich aus § 77 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), der die sogenannte Tarifsperre normiert.
Allerdings kommt das kollektive Günstigkeitsprinzip ins Spiel, wenn eine Betriebsvereinbarung vom Tarifvertrag abweicht, aber für die Arbeitnehmer*innen günstiger ist. In solchen Fällen kann die tariflich schlechtere Regelung durch die günstigere Betriebsvereinbarung nicht verdrängt werden – und es stellt sich die Frage, ob die bessere Regelung trotz Rangniedrigkeit Anwendung finden darf.
Hier ist die Rechtslage differenziert zu betrachten: Nach herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur ist eine Abweichung vom Tarifvertrag durch eine Betriebsvereinbarung nur zulässig, wenn der Tarifvertrag dies ausdrücklich erlaubt (sogenannte Öffnungsklausel). Ohne eine solche Klausel bleibt die Betriebsvereinbarung in Bezug auf tariflich geregelte Themen grundsätzlich unwirksam, selbst wenn sie objektiv günstiger ist. Das kollektive Günstigkeitsprinzip kann in diesen Fällen nicht über die Tarifsperre hinwegsetzen.
Eine Ausnahme kann jedoch dann bestehen, wenn kein Tarifvertrag anwendbar ist, z. B. weil weder der Betrieb tarifgebunden ist noch der Arbeitnehmer Mitglied einer Gewerkschaft ist. In solchen Fällen können Betriebsvereinbarungen auch tarifliche Inhalte regeln, und das kollektive Günstigkeitsprinzip kann angewendet werden, um die jeweils vorteilhaftere Regelung zur Anwendung zu bringen.
Das Günstigkeitsprinzip findet keine Anwendung, wenn gesetzliche oder tarifliche Regelungen es ausdrücklich ausschließen oder begrenzen. In folgenden Fällen kommt es nicht zur Geltung:
Wenn eine gesetzliche Vorschrift zwingendes Recht enthält (z. B. Mindestlohn nach dem MiLoG oder Mutterschutzfristen nach dem MuSchG), darf davon nicht einmal zugunsten der Arbeitnehmerseite abgewichen werden. Das Günstigkeitsprinzip greift hier nicht, weil kein Spielraum für günstigere Regelungen besteht.
Tarifverträge sind vorrangige kollektivrechtliche Regelungen. Eine günstigere Betriebsvereinbarung oder arbeitsvertragliche Regelung kann nur dann angewendet werden, wenn der Tarifvertrag eine sogenannte Öffnungsklausel enthält. Ohne diese bleibt auch eine objektiv bessere Regelung unwirksam – das Günstigkeitsprinzip wird durch das Tarifrecht begrenzt (§ 77 Abs. 3 BetrVG, sogenannte Tarifsperre).
Das Günstigkeitsprinzip setzt voraus, dass zwei inhaltlich vergleichbare Regelungen vorliegen (z. B. Urlaubstage vs. Urlaubstage). Lässt sich keine direkte Vergleichbarkeit herstellen – etwa bei einem besseren Urlaubsanspruch, aber gleichzeitig einer schlechteren Vergütung – kann das Prinzip nicht angewendet werden. Es gilt dann das sogenannte Unteilbarkeitsprinzip einer Gesamtregelung.
Wenn eine angeblich „günstigere“ Regelung nur individuell vorteilhaft, aber für andere Beschäftigte diskriminierend oder benachteiligend ist, kann das Günstigkeitsprinzip nicht greifen. Der kollektive Gleichbehandlungsgrundsatz kann dann Vorrang haben.
Wenn nur eine Regelung vorliegt oder eine andere Regelung gar nicht anwendbar ist (z. B. weil keine Tarifbindung besteht), ist das Günstigkeitsprinzip gegenstandslos – es braucht mindestens zwei Regelungen, die gleichzeitig inhaltlich konkurrieren.
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Das Günstigkeitsprinzip in einer Betriebsvereinbarung spielt dann eine Rolle, wenn sich eine Betriebsvereinbarung und eine andere arbeitsrechtliche Regelung – etwa ein Tarifvertrag oder ein Arbeitsvertrag – inhaltlich überschneiden. Dabei stellt sich die Frage, welche Regelung für die Arbeitnehmer*innen günstiger ist und ob diese günstigere Regelung auch tatsächlich zur Anwendung kommen darf.
Grundsätzlich gilt: Eine Betriebsvereinbarung ist ein kollektiver Rechtsakt, der zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat geschlossen wird und unmittelbar sowie zwingend für alle Arbeitnehmer*innen im Betrieb gilt – unabhängig davon, ob sie Mitglied einer Gewerkschaft sind oder nicht. Wenn allerdings auch ein Tarifvertrag für das Arbeitsverhältnis gilt, dann wird die Betriebsvereinbarung durch § 77 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz begrenzt. Dieser Paragraph verbietet es, in einer Betriebsvereinbarung Regelungen zu treffen, die tariflich bereits geregelt oder tariflich regelbar sind – selbst dann, wenn die Betriebsvereinbarung objektiv günstigere Inhalte enthält. Das bedeutet: Das Günstigkeitsprinzip wird durch die sogenannte Tarifsperre eingeschränkt.
Nur wenn ein Tarifvertrag eine Öffnungsklausel enthält, also eine ausdrückliche Erlaubnis, von bestimmten tariflichen Vorgaben abzuweichen, kann eine günstigere Betriebsvereinbarung in diesem Punkt überhaupt wirksam sein. In diesem Fall darf das Günstigkeitsprinzip greifen, und die für die Arbeitnehmer*innen vorteilhaftere Regelung aus der Betriebsvereinbarung kann angewendet werden.
Anders sieht es aus, wenn kein Tarifvertrag Anwendung findet, etwa weil weder der Arbeitgeber noch die Arbeitnehmer tarifgebunden sind. Dann kann die Betriebsvereinbarung durchaus auch Themen regeln, die sonst dem Tarifvertrag vorbehalten wären – und das Günstigkeitsprinzip kann voll zur Geltung kommen. Es wird dann geprüft, ob etwa die Betriebsvereinbarung oder der Arbeitsvertrag die günstigere Regelung enthält. In diesem Fall darf zugunsten der Arbeitnehmerseite die bessere Bestimmung aus der jeweils konkurrierenden Regelung angewendet werden.
Ein zentrales Problem besteht darin, objektiv festzustellen, was tatsächlich als günstiger für die Arbeitnehmerseite zu bewerten ist. Häufig sind Regelungen nicht isoliert zu betrachten, sondern Teil eines Gesamtpakets. Beispiel: Eine Betriebsvereinbarung bietet mehr Urlaubstage, dafür aber geringere Zuschläge für Überstunden – ist das insgesamt günstiger? Diese Bewertung ist subjektiv, kontextabhängig und nicht immer eindeutig, was zu rechtlicher Unsicherheit führt.
In vielen Fällen besteht eine Regelung aus mehreren miteinander verbundenen Einzelregelungen (z. B. ein komplettes Vergütungsmodell). Das Günstigkeitsprinzip erlaubt jedoch keine Rosinenpickerei: Man kann nicht einzelne günstige Bestandteile herauslösen und anwenden, wenn der Gesamtzusammenhang verloren geht. Dieses sogenannte Unteilbarkeitsprinzip schränkt das Günstigkeitsprinzip stark ein und führt in der Praxis oft dazu, dass es nicht zur Anwendung kommt, obwohl einzelne Punkte objektiv vorteilhaft wären.
Ein weiteres Problem ist die gesetzliche Tarifsperre. Sie verhindert, dass Betriebsvereinbarungen tariflich geregelte Inhalte betreffen – selbst dann, wenn sie günstiger wären. Das Günstigkeitsprinzip wird hier also ausdrücklich durch das Betriebsverfassungsrecht eingeschränkt, was nicht nur rechtlich, sondern auch im Sinne des Gerechtigkeitsempfindens zu Spannungen führen kann.
In der Praxis ist es oft nicht leicht zu erkennen, welche Rechtsquelle Vorrang hat und welche Regelung im konkreten Fall greift. Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag und Gesetz können gleichzeitig mit verschiedenen Regelungen existieren. Das Günstigkeitsprinzip kann dabei nicht automatisch und klar angewendet werden, sondern erfordert stets eine Einzelfallprüfung, was zu erheblichem Aufwand und Streitpotenzial führt.
Die Rechtsprechung zum Günstigkeitsprinzip ist nicht immer einheitlich. Insbesondere in der Frage, wann eine Regelung als günstiger anzusehen ist, haben sich über die Jahre unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe entwickelt. Das erschwert eine verlässliche Rechtsanwendung für Arbeitgeberinnen und Arbeitnehmerinnen und kann zu unvorhersehbaren Entscheidungen führen.
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Ja, das Günstigkeitsprinzip gilt grundsätzlich auch für befristete Arbeitsverhältnisse – aber mit gewissen Besonderheiten. Befristete und unbefristete Arbeitsverträge unterliegen denselben allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätzen, sodass auch bei befristeten Verträgen mehrere Rechtsquellen nebeneinander zur Anwendung kommen können, etwa ein Tarifvertrag, eine Betriebsvereinbarung und der individuelle Arbeitsvertrag.
Auch in einem befristeten Arbeitsverhältnis darf zugunsten der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers von der höherrangigen Rechtsquelle abgewichen werden, wenn die individuell getroffene Regelung günstiger ist. Ein klassisches Beispiel: Ein Tarifvertrag sieht bei einer Befristung lediglich 24 Urlaubstage vor, der befristete Arbeitsvertrag enthält aber eine Klausel mit 30 Tagen Urlaub – dann gilt die höhere Zahl, weil sie günstiger ist.
Allerdings müssen Arbeitgeber bei befristeten Arbeitsverträgen besonders darauf achten, nicht unbeabsichtigt Rechte zuzusichern, die normalerweise nur bei unbefristeten Beschäftigungen üblich sind. Denn wenn im Rahmen des Günstigkeitsprinzips bestimmte Regelungen übernommen werden, können sie im Streitfall als Indiz für eine missbräuchliche Befristung gewertet werden – insbesondere wenn der befristete Vertrag ansonsten wie ein reguläres Dauerarbeitsverhältnis behandelt wird. Das kann arbeitsrechtlich heikel werden und sogar zur Entfristung führen. Daher ist die Anwendung des Günstigkeitsprinzips bei befristeten Verträgen stets im Gesamtzusammenhang zu prüfen.
Nein, nur eingeschränkt. Das Günstigkeitsprinzip erlaubt es nicht, sich einzelne Regelungen aus verschiedenen Rechtsquellen „herauszupicken“, um sich so ein individuell bestes Gesamtpaket zusammenzustellen. Das liegt am arbeitsrechtlichen Grundsatz der Regelungseinheit oder auch dem Unteilbarkeitsprinzip.
Ein Arbeitsvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder ein Tarifvertrag bestehen in der Regel aus aufeinander abgestimmten Regelungskomplexen. Wenn man z. B. eine höhere Vergütung aus dem Arbeitsvertrag heranzieht, gleichzeitig aber zusätzliche Freistellungen aus dem Tarifvertrag beanspruchen will, kann dies die Systematik und den inneren Zusammenhang der ursprünglichen Regelung verzerren.
Die Rechtsprechung verlangt daher in der Regel eine Gesamtbetrachtung. Es muss geprüft werden, ob eine gesamte Regelung – etwa zur Arbeitszeit oder zur Vergütung – in ihrer Gesamtheit günstiger ist. Das verhindert willkürliche Kombinationen einzelner Vorteile aus verschiedenen Quellen und sorgt für rechtliche Konsistenz und Klarheit. Ausnahmen sind denkbar, wenn die einzelnen Regelungen völlig unabhängig voneinander sind und sich nicht wechselseitig beeinflussen, aber das ist in der Praxis selten.
Bei Vertragsänderungen oder Änderungsverträgen spielt das Günstigkeitsprinzip eine wichtige, aber oft unterschätzte Rolle. Wenn der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag ändern möchte – etwa durch Anpassung der Arbeitszeit, der Vergütung oder anderer Rahmenbedingungen – stellt sich stets die Frage, ob die neue Regelung für die Arbeitnehmerseite günstiger oder ungünstiger ist.
Wird eine neue Regelung eingeführt, die für die Arbeitnehmer*innen günstiger ist, stellt das in der Regel kein Problem dar – das Günstigkeitsprinzip unterstützt diesen Prozess. Schwieriger wird es jedoch, wenn sich durch die Vertragsänderung Verschlechterungen ergeben. Diese dürfen nicht einseitig vorgenommen werden, sondern benötigen entweder eine einvernehmliche Vereinbarung oder eine Änderungskündigung nach § 2 KSchG. In diesem Kontext kann das Günstigkeitsprinzip auch als Schutzargument dienen: Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer kann sich darauf berufen, dass eine ursprünglich bessere Regelung weiterhin gilt – es sei denn, sie wurde wirksam und rechtssicher aufgehoben oder ersetzt.
Ein häufiger Fehler in der Praxis ist, dass Arbeitgeber bei Änderungsverträgen nicht eindeutig festlegen, welche früheren Regelungen ersetzt und welche weiter gelten sollen. Das kann im Streitfall dazu führen, dass Arbeitnehmer*innen sich auf das Günstigkeitsprinzip berufen und frühere – für sie günstigere – Regelungen weiter einfordern.
Im internationalen Arbeitsrecht, insbesondere bei Arbeitnehmerentsendungen ins Ausland, wird das Günstigkeitsprinzip zunehmend relevant – allerdings in einem anderen rechtlichen Rahmen. Wenn ein deutscher Arbeitgeber eine oder einen Mitarbeitenden vorübergehend ins Ausland entsendet, stellt sich oft die Frage, welche nationalen Regelungen anzuwenden sind: die des Heimatstaates oder die des Einsatzstaates?
Nach der europäischen Entsenderichtlinie (Richtlinie 96/71/EG, überarbeitet durch Richtlinie (EU) 2018/957) müssen bestimmte Mindestarbeitsbedingungen des Einsatzlandes gewährleistet werden – z. B. Mindestlohn, Höchstarbeitszeiten, Urlaubsregelungen. Hier kommt ein europäisches Günstigkeitsprinzip zum Tragen: Die für den Arbeitnehmer günstigere Regelung – sei sie im Heimatland oder im Gastland verankert – hat Vorrang.
In der Praxis bedeutet das: Wenn der deutsche Arbeitsvertrag einen höheren Urlaubsanspruch enthält als das ausländische Recht, bleibt dieser bestehen. Umgekehrt muss der deutsche Arbeitgeber die Arbeitsbedingungen im Einsatzland dann anpassen, wenn sie für den oder die Entsandte*n günstiger sind, etwa bei einem höheren gesetzlichen Mindestlohn oder besseren Arbeitszeitregelungen.
Diese Anwendung des Günstigkeitsprinzips soll verhindern, dass Arbeitnehmer*innen durch eine Entsendung benachteiligt werden. Zugleich erhöht sie aber auch den administrativen Aufwand und die rechtliche Komplexität für international tätige Unternehmen, da eine vergleichende Bewertung verschiedener nationaler Arbeitsrechtsnormen erforderlich ist.
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