Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz

Beispiel für sexuelle Belästigung:

Der Arbeitnehmer war bei der Arbeitgeberin, einem Möbelhaus, als Einkäufer und Produktmanager bereits seit 30 Jahren beschäftigt.

Der 58-Jährige hatte zunächst im Oktober 2007 einer Kollegin einen Schlag auf das Gesäß gegeben und wurde dafür von der Arbeitgeberin wegen sexueller Belästigung/Gewalt abgemahnt. Die Abmahnungen hatte ein Anwalt erstellt.

Ein halbes Jahr später bedrängte der Arbeitnehmer eine 26-jährige Frau (Einkaufsassistentin) zwei Tage lang mit zahlreichen Bemerkungen, ohne Gewalt auszuüben.

So forderte er die junge Frau auf, für ihn ihre körperlichen Reize zur Schau zu stellen; ein anderes Mal griff der Arbeitnehmer zu einem anzüglichen Vergleich in Bezug auf einen Zollstock. Beim Mittagessen wollte er alles über das Sexualleben der Frau wissen und machte ihr schließlich ein eindeutiges sexuelles Angebot.

Die Frau meldete die Vorfälle der Arbeitgeberin. Nach Rücksprache mit ihrem Rechtsanwalt kündigte diese das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer fristlos wegen der sexuellen Belästigung und sexueller Gewalt.

Der Arbeitnehmer erhob daraufhin durch eine arbeitsrechtlich spezialisierte Anwaltskanzlei Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht. Er ging davon aus, er habe die Frau nicht sexuell belästigt, sondern lediglich geneckt.

Die Arbeitgeberin habe allenfalls mit einer erneuten Abmahnung reagieren dürfen.

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Rechtsprechung in diesem Fall wegen sexueller Belästigung

Eine außerordentliche Kündigung ist nur wirksam, wenn ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vorliegt.

Dies ist dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen hat – und zwar so erheblich, dass dem Arbeitgeber ein Fortsetzen des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Wie so oft sind dabei sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.

Zudem hat stets eine Abwägung der Interessen beider Vertragsteile stattzufinden. Eine außerordentliche Kündigung ist insbesondere nur dann wirksam, wenn eine mildere arbeitsrechtliche Sanktion (Abmahnung, ordentliche Kündigung) nicht dazu führen würde, dass der Arbeitnehmer sein Verhalten ändert.

Vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung muss demnach stets geprüft werden, ob nicht bereits eine Abmahnung oder eine ordentliche Kündigung geeignet ist, das störende Verhalten des Arbeitnehmers abzustellen.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat zugunsten der Arbeitgeberin geurteilt und die Kündigung für wirksam erachtet (BAG, Urteil vom 09.06.2011 – 2 AZR 323/10).

Das Gericht hat festgestellt, dass eine sexuelle Belästigung/Gewalt an Frauen und Männern an sich grundsätzlich als wichtiger Grund iSv § 626 Abs. 1 BGB geeignet ist. Ob die sexuelle Belästigung/Gewalt im Einzelfall zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, hängt von den Umständen des Einzelfalls, u.a. von ihrem Umfang der Handlungen und ihrer Intensität, ab.

Was gilt als unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten?

Zunächst ist demnach stets zu prüfen, ob in einem bestimmten Verhalten eine sexuelle Belästigung zu sehen ist.

Dies richtet sich nach § 3 Abs. 4 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Danach liegt eine sexuelle Belästigung vor, „wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten [..] bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird [..].“

Es kommt also zunächst darauf an, dass das sexuell bestimmte Verhalten eine Verletzung der Würde der betreffenden Person bewirkt oder bezweckt. Dabei gilt ein objektiver Maßstab.

Unerheblich ist, ob die handelnde Person die Würde der betroffenen Person auch verletzen wollte. Auf vorsätzliches Handeln kommt es nicht an.

Zudem muss das sexuell bestimmte Verhalten unerwünscht sein. Das Tatbestandsmerkmal der Unerwünschtheit erfordert nicht, dass die Betroffenen ihre ablehnende Einstellung zu den fraglichen Verhaltensweisen aktiv verdeutlicht haben. Maßgeblich ist allein, ob die Unerwünschtheit der Verhaltensweise objektiv – also für jedermann – erkennbar war.

Anhand dieser Grundsätze hat das BAG die Äußerungen des Arbeitnehmers gegenüber der Frau als sexuelle Belästigung gewertet: Mit den wiederholten Bemerkungen sexuellen Inhalts verletzte der Arbeitnehmer iSv § 3 Abs. 4 AGG die Würde der Frau. Er belästigte diese an zwei aufeinander folgenden Arbeitstagen gleich mehrfach mit anzüglichen Bemerkungen verbal sexuell und erniedrigte/diskriminierte sie damit zum Sexualobjekt.

Unmaßgeblich ist, wie der Täter selbst sein Verhalten einschätzte und empfand oder verstanden wissen wollte. Es kam also nicht darauf an, dass der Arbeitnehmer die Frau nach eigenen Angaben bloß necken wollte. Entscheidend war, wie die Äußerungen objektiv von anderen Personen empfunden worden sind.

Wie oben bereits dargestellt, hat zusätzlich zu dem Vorliegen eines wichtigen Grundes stets eine Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu erfolgen.

Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen.

Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung am Arbeitsplatz, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf.

Eine außerordentliche Kündigung kommt zudem nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten (Abmahnung, ordentliche Kündigung) unzumutbar sind.

Im vorliegenden Fall hat das BAG aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag in Zukunft erneut und in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Das Gericht hat insbesondere auf den Vortrag des Anwaltes des Arbeitgebers abgestellt, dass der Arbeitnehmer wegen gleichartiger Pflichtverletzungen schon einmal abgemahnt worden war.

Insoweit hat das BAG einen die Handlung des Schlages auf das Gesäß der Frau mit den von dem Arbeitnehmer getätigten verbalen Äußerungen gleichgesetzt.

Es ginge in beiden Fällen um ein die Integrität der Betroffenen missachtendes, erniedrigendes und diskriminierendes Verhalten.

Weiterhin hat das BAG geurteilt, dass die Vertragsverletzung durch die verbalen Äußerungen schwer wiegen.

Die Intensität der verbalen Belästigungen sei vorliegend erheblich gewesen. Der Arbeitnehmer habe der Betroffenen mit immer neuen Varianten verbaler Anzüglichkeiten zugesetzt. Die Äußerungen fielen bei unterschiedlichsten Gelegenheiten. Es handelte sich nicht etwa um eine einmalige „Entgleisung“.

Die Belästigungen erfolgten fortgesetzt und hartnäckig. Der auf eigene körperliche Merkmale anspielende anzügliche Vergleich hatte zudem, ebenso wie das an die Betroffene gerichtete anzügliche Angebot, bedrängenden Charakter.

Verbale Belästigung Instanzenzug

Das als Berufungsgericht angerufene Landesarbeitsgericht Hamm war noch dem Arbeitnehmeranwalt gefolgt und hatte die Kündigung für unwirksam gehalten.

Es war der Auffassung, dass sich verbale Belästigungen generell in einem weniger gravierenden Bereich des durch § 3 Abs. 4 AGG aufgezeigten Spektrums bewegen.

Das BAG hat jedoch verdeutlicht, dass nicht nur Tätlichkeiten oder Übergriffe eine sexuelle Belästigung darstellen, die arbeitsrechtliche Konsequenzen zur Folge hat, sondern vielmehr auch verbale Äußerungen sexuellen Inhalts.

Tipps für Arbeitnehmer

Nicht nur Tätlichkeiten, sondern auch verbale Äußerungen sexuellen Inhalts können arbeitsrechtliche Konsequenzen zur Folge haben. Sie sollten als Opfer solcher Handlungen daher in jedem Fall ein solches Verhalten eines Mitarbeiters* dem Arbeitgeber anzeigen. Dieser ist dann gemäß § 12 Abs. 3 AGG verpflichtet, die Benachteiligung zu unterbinden.

Ergreift der Arbeitgeber keine oder offensichtlich ungeeignete Maßnahmen zur Unterbindung einer Belästigung oder sexuellen Belästigung/Übergriffe am Arbeitsplatz, sind Sie gemäß § 14 AGG berechtigt, ihre Tätigkeit ohne Verlust des Arbeitsentgelts einzustellen, soweit dies zu ihrem Schutz erforderlich ist.Ebenso steht Ihnen ggf. gegen Ihren Arbeitgeber ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 15 AGG zu. Hierbei ist zu beachten, dass der Anspruch innerhalb von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden muss. Die Frist beginnt ab dem Zeitpunkt, in dem die sexuelle Belästigung vorgefallen ist.

Arbeitnehmer, denen eine sexuelle Belästigung oder ein sexueller Übergriff vorgeworfen wird, sollten ab diesem Zeitpunkt weitere Erklärungen nur nach Rücksprache mit einem Fachanwalt für Arbeitsrecht abgeben.

Croset - Fachanwälte für Arbeitsrecht in Berlin

Tipps für Arbeitgeber

Arbeitgeber sind verpflichtet, ihre Mitarbeiter vor sexuellen Übergriffen und ähnliche Belästigungen zu schützen. Zeigt Ihnen ein Mitarbeiter (Mann/Frau/Divers) eine sexuelle Belästigung durch einen Kollegen* an, sind Sie verpflichtet, die daraus resultierende Benachteiligung des Mitarbeiters zu unterbinden. Je nach Schwere des Einzelfalls kommen als arbeitsrechtliche Sanktionen Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung in Betracht.

Erteilen Sie eine Abmahnung, sollten Sie darauf achten, dass Sie dem Arbeitnehmer* für jegliche Form der sexuellen Belästigung in der Zukunft den Ausspruch einer Kündigung androhen. Beschränken Sie die Warnung etwa auf Tätlichkeiten, können Sie – wenn es sich das zweite Mal um eine verbale sexuelle Belästigung handelt – nicht unter Hinweis auf die vorherige Abmahnung kündigen. Insoweit wäre die Abmahnung nicht einschlägig.

Handelt es sich um eine sexuelle Belästigung in dem Ausmaß, dass eine Weiterbeschäftigung ausgeschlossen ist, können Sie ohne vorherige Abmahnung fristlos kündigen.

Da es aber bei der Beurteilung der Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung stets auf die Umstände des Einzelfalls und das Ergebnis einer Interessenabwägung ankommt, sollten Sie sich anwaltlich beraten lassen. Denn ist die außerordentliche Kündigung unwirksam, kommen u. U. hohe Gehaltsnachzahlungen auf Sie zu.

*Die männliche Form gilt auch entsprechend für die weibliche Form.

Bitte beachten Sie, dass unsere Ausführungen eine umfassende Rechtsberatung nicht ersetzen können und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Wenn Sie weitere Fragen haben oder eine ausführliche Beratung wünschen, nehmen Sie einfach Kontakt zu uns auf.

  • Pascal Croset
    Fachanwalt  Arbeitsrecht
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