Massenentlassungsanzeige
Worum geht es?
Ein Arbeitgeber, der innerhalb einer Frist von 30 Tagen viele Kündigungen ausspricht, muss eine Massenentlassungsanzeige bei der Bundesagentur für Arbeit (Arbeitsagentur) erstatten.
Ansonsten riskiert er, dass jede einzelne Kündigung im Rahmen der Massenentlassung unwirksam ist.
Wir erklären, was für drastische Folgen fehlerhafte oder unterbliebene Massenentlassungsanzeigen (Anzeigepflicht) bei Massenentlassungen haben können.
Sollten Sie als Arbeitgeber Hilfe benötigen, so rufen Sie einfach an (030-31 568 110) und lassen sich unverbindlich beraten. Wir sind für Sie da!
Die Rechtsprechung bei Massenentlassungsanzeigen
Die Anzeigepflicht, der Bundesagentur für Arbeit (Arbeitsagentur) eine Entlassungswelle bzw. die Kündigung von vielen Arbeitnehmern rechtzeitig anzukündigen, ergibt sich aus §17 Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Dort steht auch, wann eine Massenentlassung vorliegt.
Für die Anzeigepflicht zur Massenentlassungsanzeige ist zunächst das Verhältnis der geplanten Kündigungen zur Zahl der Arbeitnehmer im Betrieb entscheidend. Im Gesetz findet sich eine genaue Liste. Will der Arbeitgeber
- bei einer Betriebsbelegschaft zwischen 21 und 59 Arbeitnehmern mehr als fünf von ihnen,
- bei einer Betriebsbelegschaft zwischen 60 und 499 Arbeitnehmern mehr als 25 davon, oder aber mindestens zehn Prozent der Beschäftigten,
- bei einer Betriebsbelegschaft von 500 Arbeitnehmern 30 oder mehr von ihnen
innerhalb von 30 Kalendertagen entlassen, muss er diese Massenentlassungen der Bundesagentur für Arbeit mit einer Massenentlassungsanzeige vorher ankündigen. Auch der Betriebsrat muss rechtzeitig informiert werden.
Für Kleinbetriebe mit weniger als 20 regelmäßigen Arbeitnehmern gilt die Vorschrift nicht.
Was zählt als Betrieb bei der Massenentlassungsanzeige
In der Praxis ist es oft sehr kompliziert, ob bei einer geplanten Entlassungswelle nach den KschG tatsächlich eine konkrete Anzeigepflicht zur Massenentlassungsanzeige besteht.
In Urteilen unterschiedlich wird zum Beispiel oft die Frage bewertet, ob der betreffende Standort überhaupt als eigener Betrieb zählt: Entscheidend für die Anzeigepflicht bei Entlassung ist die Zahl der Arbeitnehmer des betroffenen Betriebes, nicht die des gesamten Unternehmens.
Ein Betrieb in diesem Sinne muss unter anderem eine organisatorische Einheit sein und dauerhaft bestimmte arbeitstechnische Zwecke verfolgen – um nur einige Gesichtspunkte zu nennen. Entscheidend für die Frage, ob ein Standort als Betrieb zählt, ist die Vorgabe des Betriebsverfassungsgesetzes.
In der Praxis ist die Antwort oft sehr kompliziert. Klares Kriterium für einen eigenen Betrieb ist jedoch ein eigener Betriebsrat am Standort.
Die Erfahrung zeigt, dass selbst ein erfahrener Arbeitsrechtler oft genau prüfen muss, ob die Betriebseigenschaft und damit die Pflicht zur Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit vorliegt.
Wenn Arbeitgeber diese Frage in Eigenregie klären, kommt es schnell zu Fehlern. Die können sich teuer rächen, denn in diesem Fall können gekündigte Arbeitnehmer über einen Fachanwalt für Arbeitsrecht leicht die Unwirksamkeit ihrer Kündigung feststellen lassen.
Wer gilt als Arbeitnehmer bei einer Massenentlassung?
Grundsätzlich zählen zunächst sämtliche Arbeitnehmer mit – jeder, der in einem Arbeitsverhältnis mit dem betreffenden Arbeitgeber steht, auch Kurzarbeiter, Auszubildende, Volontäre und Teilzeitbeschäftigte. Letztere werden in diesem Zusammenhang pro Kopf gezählt und nicht je nach Arbeitszeit anteilig berücksichtigt.
Vertreter des Arbeitgebers wie Geschäftsführer oder Betriebsleiter sowie leitende Personen, die selbstständig Arbeitnehmer einstellen oder entlassen dürfen, flossen für die Arbeitsgerichte bislang nicht in die Berechnung mit ein.
Allerdings hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) vor kurzer Zeit den Fremdgeschäftsführer einer GmbH doch zu den Beschäftigten gezählt, weil er nicht an der Gesellschaft beteiligt war, jederzeit von ihr abberufen werden konnte und weisungsgebunden agierte (EuGH, Urteil vom 09.07.2015 – C-229/14).
Auch dieser Fall zeigt deutlich, dass bei den Themen Entlassungen und Massenentlassungsanzeige der Teufel im Detail des Einzelfalls steckt.
In der Klage ging es um einen Betrieb mit 18 Arbeitnehmern, einer Praktikantin, einem Arbeitnehmer, der im fraglichen Zeitraum von sich aus gekündigt hatte, sowie dem erwähnten Fremdgeschäftsführer. Der EuGH rechnete diese drei Personen der Zahl der Arbeitnehmer hinzu – damit war die Kündigung des klagenden Arbeitnehmers unwirksam, weil das Unternehmen die Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit versäumt hatte.
Aufhebungsverträge und Eigenkündigungen zählen bei einer Massenentlassung
Zur Anzahl der Entlassungen, die die Anzeigepflicht zur Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit (Arbeitsagentur) beeinflussen, zählen nicht nur vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigungen bzw. Entlassungen.
Auch alle vom Arbeitgeber veranlassten Eigenkündigungen sowie Aufhebungsverträge müssen laut einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 19.03.2015 – 8 AZR 119/14) berücksichtigt werden.
Der entscheidende Zeitraum der Entlassungen
Für die Massenentlassungsanzeige kommt es auf die Entlassungen an, die innerhalb einer Frist von 30 Kalendertagen vorgenommen werden.
Soweit es dabei um Kündigungen geht, ist der Tag entscheidend, an dem sie ausgesprochen wurden, nicht das Datum, zu dem die Beendigung der Arbeitsverhältnisse erfolgt. Maßgeblich ist dabei die Kündigungserklärung, nicht der Ablauf der Kündigungsfrist.
Entlassungen, die vor oder nach dem Zeitraum von 30 Kalendertagen liegen, sind im Normalfall nicht von Belang.
Allerdings droht auch hier wieder eine Besonderheit: In bestimmten Fällen können nämlich sehr wohl auch Entlassungen außerhalb dieses Zeitfensters mitgezählt werden. Das gilt dann, wenn diese Entlassungen auf denselben Entschluss des Arbeitgebers zur Betriebsänderung (Betriebsstilllegung, Verkleinerung o. Ä.) zurückgehen.
Gibt es mehrere Kündigungswellen kurz nacheinander, kann das als Indiz für eine einheitliche Planung gelten
Was muss in der Massenentlassungsanzeige stehen?
Vorgeschrieben sind in der Massenentlassungsanzeige Angaben über:
- den Namen des Arbeitgebers
- den Sitz und die Art des Betriebes
- die Gründe für die geplanten Entlassungen
- die Zahl und die Berufsgruppen der Arbeitnehmer, die entlassen werden
- die Zahl und die Berufsgruppen der Arbeitnehmer, die im Betrieb beschäftig werden
- den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen
- die geplanten Kriterien für die Auswahl der Entlassungskandidaten
Dabei handelt es sich keineswegs um reine Formalien: Fehlende Angaben können dazu führen, dass eine Massenentlassungsanzeige unwirksam ist – und damit auch alle ausgesprochenen Kündigungen unwirksam sind. Das gilt zum Beispiel dann, wenn keine Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt wurde.
Die Agentur für Arbeit (Arbeitsagentur) stellt dafür Formulare für die Massenentlassungsanzeige als PDF-Download zur Verfügung.
Rechte des Betriebsrates bei Massen-Entlassungen im Unternehmen
Bevor der Arbeitgeber eine Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit erstatten kann, muss er den Betriebsrat umfassend informieren und konsultieren. Dabei ist es mit kurzen Pflichtmitteilungen nicht getan.
Das Gesetz (§ 17 Abs. 2 KSchG) fordert: „Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.“
Diese Rechte ergänzen die Rechte des Betriebsrats, ohnehin vor jeder Kündigung vom Arbeitgeber angehört zu werden (§ 102 BetrVG). Bei geplanten Betriebsänderungen – und dazu gehören Massenentlassungen in der Regel – bestehen weitere Mitbestimmungsrechte etwa in Bezug auf die Vereinbarung eines Interessenausgleichs und eines Sozialplans.
Bitte beachten Sie, dass unsere Arbeitsrecht-Ausführungen eine umfassende Rechtsberatung nicht ersetzen können und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Wenn Sie weitere Fragen haben oder eine ausführliche Beratung wünschen, nehmen Sie einfach Kontakt zu uns auf.
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