Sozialauswahl – Drei Irrtümer

27. Februar 2025

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Wenn es um die Sozialauswahl bei Kündigungen geht, hören viele Arbeitgeber unzählige Halbwahrheiten und Mythen. Selbst erfahrene Führungskräfte sind sich manchmal unsicher, wie groß die Rolle der verschiedenen Kriterien tatsächlich ist – sei es das Lebensalter, die Betriebszugehörigkeit oder die Unterhaltspflichten. Im Rahmen des KSchG (Kündigungsschutzgesetz) werden diese Aspekte immer wieder betont, doch die Realität sieht oft anders aus. In diesem Blogpost erfahren Sie, welche drei Irrtümer besonders weit verbreitet sind – und was wirklich dahintersteckt, wenn Arbeitnehmer gekündigt werden sollen.

Sozialauswahl | Drei Irrtümer | CROSET

Irrtum 1: Viele Kinder = Unkündbarkeit?

Einer der häufigsten Irrtümer besteht in der Annahme, dass Angestellte mit vielen Kindern und hohen Unterhaltspflichten praktisch unkündbar seien. Natürlich kann es nachvollziehbar sein, dass Arbeitgeber bei Müttern und Vätern mit umfangreichen familiären Verpflichtungen gern Rücksicht nehmen oder Mitgefühl zeigen möchten. Aber sobald es um eine verhaltensbedingte Kündigung geht, spielen solche sozialen Kriterien nur eine untergeordnete Rolle.

Wie konkret zeigt sich das?

Verhaltensbedingte Kündigungsgründe: 

Kommt es zu gravierenden Pflichtverletzungen, etwa wiederholter Unpünktlichkeit, Diebstahl, Mobbing oder sexueller Belästigung, liegt der Fokus auf dem Fehlverhalten. Entscheidend ist dann, ob das Vertrauen in das Arbeitsverhältnis irreparabel beschädigt ist. Die Anzahl der Kinder, das Lebensalter oder die Unterhaltspflichten haben in diesen Fällen meist nur eine sehr geringe Bedeutung.

Keine absolute Immunität: 

Auch das KSchG selbst bietet keine Garantie, dass eine Kündigung unmöglich wird, nur weil ein Arbeitnehmer viele Kinder hat. Selbstverständlich ist es menschlich verständlich, Rücksicht auf Familienverantwortung zu nehmen. Trotzdem kann ein grobes Fehlverhalten, das die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht, auch bei Mitarbeitenden mit langer Betriebszugehörigkeit und hohen Unterhaltspflichten zur Kündigung führen.

Umgang mit sozialen Aspekten: 

In verhaltensbedingten Fällen spielt die Sozialauswahl kaum eine Rolle. Sie bezieht sich in erster Linie auf betriebsbedingte Kündigungen. Ist der Pflichtverstoß aber eindeutig und schwerwiegend, hat dies Vorrang vor sozialen Kriterien.

Gerade hier entsteht oft ein Spannungsfeld zwischen menschlichem Verständnis und rechtlicher Bewertung: Nur weil jemand mehrere Kinder zu versorgen hat, bedeutet das nicht, dass er oder sie arbeitsvertragliche Regelungen missachten darf, ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen. Arbeitgeber sollten jedoch immer eine faire und transparente Kommunikation führen, damit bei einer Kündigung klar wird, dass es primär um das Fehlverhalten geht und nicht um eine Bestrafung privater Lebensumstände.

Irrtum 2: Sofortige Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen?

Bei betriebsbedingten Kündigungen denken viele sofort an die Sozialauswahl. Doch nicht jede betriebsbedingte Kündigung erfordert automatisch eine umfangreiche Auswahlentscheidung zwischen allen Mitarbeitenden – selbst wenn das KSchG diese Art der Kündigung grundsätzlich regelt.

Warum ist das so?

Vergleichbare Positionen: 

Eine Sozialauswahl ist nur dann durchzuführen, wenn es im Betrieb mehrere vergleichbare Arbeitsplätze gibt. Das setzt voraus, dass mehrere Arbeitnehmer in einer ähnlichen oder austauschbaren Position beschäftigt sind. Zu den relevanten Kriterien zählen hierbei neben der Betriebszugehörigkeit, dem Lebensalter und den Unterhaltspflichten auch die Frage, ob sich jemand schnell in eine andere Funktion einarbeiten kann.

Betriebsbedingter Grund vs. Personalentscheidung: 

Eine betriebsbedingte Kündigung setzt voraus, dass bestimmte Umstände im Betrieb vorliegen – zum Beispiel ein Auftragsrückgang, Rationalisierungsmaßnahmen oder eine Umstrukturierung. Steht eindeutig fest, dass genau dieser Arbeitsplatz entfällt und es keine Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung gibt, ist die Sozialauswahl nur relevant, wenn mehrere Personen diese (oder eine vergleichbare) Tätigkeit ausüben. Ist das nicht der Fall, braucht es keine umfassende Auswahl nach den oben genannten Kriterien.

Fehleinschätzung vermeiden: 

Viele Arbeitgeber glauben, sie müssten immer eine Sozialauswahl durchführen – auch wenn nur eine einzige Stelle existiert und wegfällt. In Wahrheit ist es wichtiger, lückenlos darzulegen, weshalb der Arbeitsplatz tatsächlich wegfällt und warum keine andere Beschäftigungsmöglichkeit für den betroffenen Arbeitnehmer besteht.


Prüfen Sie bei betriebsbedingten Kündigungen zunächst gründlich, ob im Unternehmen überhaupt vergleichbare Positionen existieren. Erst dann müssen Sie sich mit den Kriterien wie Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Unterhaltspflichten befassen, um die Sozialauswahl korrekt durchzuführen.

Irrtum 3: Sozialauswahl als Hauptkriterium für Kündigungen?

Ein dritter verbreiteter Trugschluss ist, die Sozialauswahl als das entscheidende Kriterium für die Wirksamkeit einer Kündigung zu betrachten. Viele Arbeitgeber glauben: „Solange wir alle Kriterien sauber berücksichtigen, kann uns niemand etwas anhaben.“ Doch so einfach ist es nicht.

Was sollten Sie stattdessen beachten?

Existenz freier Arbeitsplätze: 

Die beste Sozialauswahl nützt nichts, wenn es im Unternehmen noch einen freien, geeigneten Arbeitsplatz gibt, auf den Sie den oder die Betroffene versetzen könnten. Nach dem arbeitsrechtlichen Ultima-Ratio-Prinzip muss eine Kündigung immer das letzte Mittel sein. Können Sie jemanden in eine andere, angemessene Position umsetzen, ist eine betriebsbedingte Kündigung oft schon aus diesem Grund unwirksam.

Stellen, die gerade ausgeschrieben sind: 

Auch das KSchG sieht vor, dass eine Kündigung nicht gerechtfertigt ist, wenn eine andere zumutbare Beschäftigungsmöglichkeit besteht. Läuft also parallel eine Stellenanzeige, für die der betreffende Arbeitnehmer infrage käme, müssen Sie als Arbeitgeber prüfen, ob eine Versetzung möglich ist – unabhängig davon, wie Sie in der Sozialauswahl abschneiden.

Weitere Unwirksamkeitsgründe: 

Neben den Kriterien Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Unterhaltspflichten gibt es diverse formale Aspekte, die für die Rechtmäßigkeit einer Kündigung entscheidend sind (z. B. die Anhörung des Betriebsrats oder der besondere Kündigungsschutz bestimmter Personengruppen). Vernachlässigen Sie hier etwas, kann die Kündigung selbst dann unwirksam sein, wenn die Sozialauswahl formal korrekt war.

Die Sozialauswahl ist sicher ein wichtiger Faktor bei betriebsbedingten Kündigungen – und unterliegt den Regeln des KSchG –, aber sie ist nur einer von mehreren Bausteinen. Wer sich zu sehr auf diese eine Säule verlässt, übersieht schnell andere rechtliche Anforderungen.

Fazit:

So wichtig das Thema Sozialauswahl in der Theorie oft erscheint – in der Praxis wird es regelmäßig überbewertet. Gerade in emotional aufgeladenen Kündigungssituationen wird schnell von „sozialen Kriterien“ gesprochen, obwohl andere Aspekte mindestens genauso wichtig sind. Entscheidend ist nicht nur, ob eine Sozialauswahl durchgeführt wird, sondern wie und wann sie tatsächlich greift. Zudem dürfen Sie nicht vergessen, andere Vorgaben des KSchG einzuhalten, freie Arbeitsplätze oder interne Ausschreibungen zu berücksichtigen und die notwendige Sorgfalt bei jeder Form der Kündigung walten zu lassen.

Wenn Sie als Arbeitnehmer wissen möchten, ob Ihre Kündigung Bestand hat, oder wenn Sie als Arbeitgeber erfahren wollen, ob Ihre geplante Kündigung angreifbar ist, können Sie sich jederzeit an uns wenden. Wir vertreten beide Seiten erfolgreich und wissen genau, worauf es jeweils ankommt – sei es bei der Betriebszugehörigkeit, dem Lebensalter, den Unterhaltspflichten oder anderen Kriterien im Rahmen des KSchG.

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