Corona Test = Arbeitszeit (3G)

Bis vor kurzem war noch alles klar: Führt der Arbeitgeber in seinem Unternehmen 3 G ein, dann müssen Ungeimpfte (oder Personen, die ihren im Status nicht offenlegen möchten) einen Coronatest durchführen. 

Und die für diesen Coronatest aufgewendete Zeit galt als Arbeitszeit. Denn wer die Musik bestellt, muss die Kapelle bezahlen – und es war ja der Arbeitgeber, der 3 G eingeführt hatte. Nun ist es der Gesetzgeber, der durch § 28 b Infektionsschutzgesetz vorschreibt, dass Arbeitnehmer ihre Betriebe nur noch betreten dürfen, wenn sie geimpft, genesen oder negativ getestet sind.

Was das Gesetz überraschenderweise nicht ausdrücklich regelt: Wer trägt die Kosten für die Corona-Tests, Arbeitnehmer oder Arbeitgeber? Ist die für die Testung verwendete Zeit bezahlte Arbeitszeit oder Freizeit?

Das schreibt die Presse

Unmittelbar nach Bekanntwerden der Gesetzesänderung verkündeten die meisten Zeitungsartikel und Fernsehbeiträge (z. B. Welt , WAZ) , dass ab sofort der Arbeitgeber nur noch zwei Tests pro Woche anbieten (und bezahlen) müsse. Den Arbeitnehmern bliebe nur, sich pro Woche einen kostenlosen Bürgertest zu beschaffen und die übrigen zwei Tests auf eigene Kosten zu beschaffen, z.B. in einem Testzentrum. Außerdem sei die dafür erforderliche Zeit keine Arbeitszeit, sondern Freizeit der Arbeitnehmer. 

Dazu berief die Presse sich z.B. auf Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Er berief sich darauf, dass man die Unternehmen nicht mit weiteren Kosten belasten dürfe Spiegelbildlich dazu erklärte der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann, dass man natürlich den Arbeitgebern die Kosten auferlegen müsse. Beides sind natürlich Meinungen, aber noch lange keine Argumente. 

Der MDR-Faktencheck fragte bei Sachsens Arbeitsminister Martin Dulig nach, der mitteilte, dass nach seiner Auffassung ungeimpfte Beschäftigte ihre Coronatests vor Betreten der Arbeitsstätte machen und damit außerhalb der Arbeitszeit müssten. Gleichzeitig stellte der MDR-Faktencheck nach Rücksprache mit einem Dresdner Fachanwalt für Arbeitsrecht fest, dass diese Rechtsansicht keineswegs „in Stein gemeißelt“ sei.

Das sagen Croset - Fachanwalt für Arbeitsrecht

Die Rechtslage ist objektiv offen. Das Infektionsschutzgesetz trifft keine Regelung dazu, wer die Kosten der Corona-Tests tragen muss. Es gibt durchaus gute Argumente für beide Seiten:

  • Arbeitnehmer können sich darauf berufen, dass gemäß § 618 Abs. 1 BGB der Arbeitgeber verpflichtet ist, seinen Betrieb so einzurichten, dass die Arbeitnehmer gegen Gefahr für Leben und Gesundheit geschützt sind. Daher gehört es auch zu den Pflichten des Arbeitgebers aus § 618 Abs. 1 BGB, seine Angestellten vor Ansteckungen oder Erkrankungen anderer Arbeitnehmer zu schützen. Der Arbeitgeber muss insbesondere Ansteckungsrisiken bei der Arbeit oder auf dem Weg zur Arbeit soweit minimieren, wie dies erforderlich und zumutbar ist, um das Ansteckungsrisiko auch für andere Arbeitnehmer bei der Arbeit möglichst gering zu halten (Roloff in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 22. Auflage 2022, BGB § 618 Rn. 11). Aus der Verpflichtung zum Gesundheitsschutz nach § 618 Abs. 1 BGB ergibt sich dann auch die Pflicht zur Übernahme der entsprechenden Kosten. Da hier das Spezialgesetz, nämlich das Infektionsschutzgesetz, keine Kostenregelung vorsieht, kann man argumentieren, dass die allgemeine Regelung des§ 618 Abs. 1 BGB greift.

 

  • Zudem können Arbeitnehmer sich auf den Rechtsgedanken des § 3 III Arbeitsschutzgesetz analog berufen. Auch dieser sieht vor, dass der Arbeitgeber die durch den Arbeitsschutz hervorgerufenen Kosten selbst trägt.

 

  • Arbeitgeber können sich darauf berufen, dass das Infektionsschutzgesetz den Arbeitgeber zur Anbietung von nur zwei Coronatests pro Woche verpflichtet. Insofern muss der Arbeitgeber die Kosten dieser Tests tragen – aber nicht die Kosten der restlichen 3-4 Tests pro Woche

  • Zudem können Arbeitgeber sich darauf berufen, dass es in § 618 BGB um den Schutz vor Gefahren geht, die sich aus dem vom Arbeitgeber eingerichteten Betrieb ergeben. Die zum Zweck der Eindämmung des Infektionsgeschehens im Land normierten 3G-Regeln beziehen sich aber auf eine potentielle Gefahr, welche von den einzelnen Arbeitnehmern für den Betrieb bzw. die Kollegen ausgeht. Durch die Tests soll dementsprechend der Arbeitnehmer seine Eignung zur Arbeitsleistung im Betrieb erst erweisen.
  • Schließlich können Arbeitgeber sich auf den Wortlaut des Gesetzes berufen, wonach die Testung „unmittelbar vor der Arbeitsaufnahme“ erfolgen soll. Daraus könnte man schließen, dass die Testung damit auch außerhalb der vergütungspflichtigen Arbeitszeit liegt.

  • Hiergegen können Arbeitnehmer natürlich wiederum einwenden, dass auch die Zeiten für das Waschen und Anlegen von Arbeitskleidung natürlich nicht zur unmittelbaren Arbeitsleistung gehören, wohl aber teilweise zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit.

Klartext: Objektiv offene Rechtslage

Natürlich dürfen Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften behaupten, die Rechtslage sei eindeutig – nämlich zugunsten Ihrer Mandanten. Selbstverständlich dürfen auch Arbeitsminister und andere Politiker sich der einen oder anderen Seite anschließen, mit oder ohne Argumente.


Als ideologisch nicht festgelegte Fachanwaltskanzlei für Arbeitsrecht stellen wir allerdings fest, dass aktuell eine objektiv noch nicht geklärte Rechtslage vorliegt. Wir gehen davon aus, dass demnächst die ersten Gerichtsentscheidungen deutscher Arbeitsgerichte hierzu ergehen werden. Ganz gleich was das Ergebnis ist: Voraussichtlich wird die eine oder andere Seite Berufung zum Landesarbeitsgericht einlegen. Es wird noch einige Zeit dauern, bis sich hier eine einigermaßen einheitliche, gesicherte Rechtsprechung herausgebildet. Es erscheint auch durchaus möglich, dass die Arbeitsgerichte noch mehr differenzieren und beispielsweise die Zeit, die unmittelbar für das absolvieren des Coronatests verwendet wird als Arbeitszeit ansehen, nicht aber z.B. die Fahrzeit zum Testzentrum oder die Wartezeit auf Beginn des Tests („Schlangestehen“).

Empfehlung für Arbeitnehmer: Jetzt Rechte sichern

Vor dem Hintergrund dieser objektiv offenen Rechtslage ist die rhetorische Kraftmeierei der Tarifvertragsparteien (Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände) wenig hilfreich. Arbeitnehmer sollten jetzt ihre Rechte sichern, damit sie später Ansprüche in Euro und Cent (bzw. in Arbeitszeitguthaben und bezahlter Freistellung) geltend machen können – falls die Rechtslage sich zugunsten der Arbeitnehmer herauskristallisiert.
Für Arbeitnehmer stehen hier durchaus erhebliche Summen auf dem Spiel. Denn wenn diese z.B. die Kosten für drei Tests pro Woche übernehmen müssen, macht dies im Monat schnell eine dreistellige Summe aus – netto! Auch die Arbeitszeit für fünf Tests pro Woche kann sich zusammen mit der zusätzlichen Fahrzeit schnell auf 20 Stunden im Monat mehr summieren. Wir empfehlen Arbeitnehmern daher,

  • mit unserem Musterschreiben Ansprüche anzumelden
  • abzuwarten, ob der Arbeitgeber die Forderung akzeptiert oder zurückweist
  • alle Belege für die Kosten selbst bezahlter Tests aufzubewahren
  • genau zu dokumentieren, an welchen Tagen Sie welchen Zeitaufwand für die Testung hatten (aufgeschlüsselt nach Fahrzeiten, Zeiten für den Test, Wartezeiten)
  • abzuwarten, wie die Rechtslage sich entwickelt und möglicherweise in einigen Wochen oder Monaten die es dahin angelaufenen Ansprüche einzufordern und nötigenfalls einzuklagen!

 

Mutige und/oder rechtsschutzversicherte Arbeitnehmer können natürlich die Ansprüche auch bereits jetzt einklagen. Uns liegen bereits jetzt mehrere Anfragen von Mandanten vor, die uns mit der notwendigenfalls gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche beauftragen möchten. Wir werden an dieser Stelle natürlich laufend berichten, wie sich die Rechtslage deutschlandweit entwickelt!

Wichtig ist uns aber: Die Rechtslage ist objektiv offen. Dementsprechend sollten sich weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber in falscher Sicherheit wiegen. Alle Beteiligten sind gut beraten, zusammen eine möglichst für alle gut tragbare Lösung zu finden. Eine besondere Rolle kommt hierbei den Betriebsräten zu, die entsprechende Betriebsvereinbarungen schließen dürfen und sollten. Natürlich beraten wir gerne auch Betriebsräte und Arbeitgeber bei der Suche nach einer guten, gemeinsamen Lösung.

Bitte beachten Sie, dass unsere Ausführungen eine umfassende Rechtsberatung nicht ersetzen können und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Wenn Sie weitere Fragen haben oder eine ausführliche Beratung wünschen, nehmen Sie einfach Kontakt zu uns auf.

  • Pascal Croset
    Fachanwalt  Arbeitsrecht
    Tel.: +49 (0)30 31 568 110
    kanzlei@ra-croset.de
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    Dorit Jäger
    Fachanwältin Arbeitsrecht
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    Klaus-Benjamin Liebscher
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    Anja Schmidt-Bohm
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    Robert Strauß
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