Kündigung bei Schwerbehinderung

7 wichtige Erläuterungen zum Thema

Für wen gilt der besondere Kündigungsschutz?

Der Sonderkündigungsschutz besteht für alle Arbeitnehmer mit Schwerbehinderung – egal, ob sie in der Chefetage sitzen oder sich in der Ausbildung befinden.

Als schwerbehindert gilt eine Person ab einem Grad der Behinderung (GdB) von wenigstens 50.

Die Schwerbehinderteneigenschaft muss entweder offensichtlich oder zum Zeitpunkt der Kündigung von der Behörde festgestellt worden sein.

Die Feststellung erfolgt durch einen Bescheid des Versorgungsamtes, seltener auch durch einen Rentenbescheid, eine Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidung.

Die Schwerbehinderteneigenschaft ist ausnahmsweise auch bei Offensichtlichkeit (“Offenkundigkeit”) gegeben: Wenn die Beeinträchtigung des Arbeitnehmers so erheblich ist, dass der Arbeitgeber sie auch ohne sozialmedizinische Vorbildung offensichtlich als Schwerbehinderung erkennen kann (z. B. Amputation eines Armes, Rollstuhl).

Der besondere Kündigungsschutz kommt daneben auch Arbeitnehmern zu Gute, die einen Grad der Behinderung von mindestens 30 haben und von der Agentur für Arbeit einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt wurden (sog. Gleichstellung).

Eine Gleichstellung behinderter Menschen erfolgt, wenn die Person aufgrund ihrer körperlichen Behinderung keine geeignete Arbeit findet oder eine vorhandene Arbeitsstelle infolge der Behinderung aufgeben muss.

Der betroffene Arbeitnehmer hat den Kündigungsschutz wegen Gleichstellung aber nur, wenn er einen entsprechenden Antrag bei der Agentur für Arbeit gestellt hat!

Kündigung bei Schwerbehinderung | CROSET

Was bedeutet der besondere Kündigungsschutz für schwerbehinderte Arbeitnehmer?

Das „Besondere“ am Kündigungsschutz für schwerbehinderte Arbeitnehmer ist: Der Arbeitgeber muss ein bestimmtes Verfahren einhalten, das es so bei einer „normalen“ Kündigung nicht gibt.

Er darf über die Kündigung nicht gänzlich allein entscheiden – vor der Kündigung muss er die Zustimmung des Integrationsamtes einholen!

Es genügt nicht, das Integrationsamt nur zu informieren: Der Arbeitgeber muss die Zustimmung durch Bescheid abwarten.

Eine ohne vorherige Zustimmung des Integrationsamtes ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

Merke: Dieser Sonderkündigungsschutz gilt auch für Kleinbetriebe mit weniger als 10 Angestellten.

Das bedeutet: Selbst wenn das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar ist, hat der Arbeitgeber die Pflicht, vor der Kündigung eines Schwerbehinderten, die Zustimmung des Integrationsamts einzuholen.

Gibt es im Betrieb einen Betriebsrat und eine Schwerbehindertenvertretung, müssen diese ebenfalls vor der Kündigung beteiligt werden.

Schauen Sie sich auch unser Video dazu an:

Welches Verfahren muss der Arbeitgeber einhalten, wenn er einem Schwerbehinderten kündigen will?

Der Arbeitgeber hat vorab gegebenenfalls folgende drei Verfahren zu beachten:

  • Beteiligung des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG
  • Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung gemäß § 95 Abs. 2 SGB IX
  • Antrag auf Zustimmung des Integrationsamtes gemäß § 85 SGB IX

Wichtig: Die Kündigung ist unwirksam, wenn sich der Arbeitgeber nicht an diese Vorgaben hält.

Sonderkündigungsschutz bei einer bestehenden Schwerbehinderung heißt also nicht, dass der Arbeitnehmer unkündbar ist. Für ihn gelten die gleichen Kündigungsgründe wie für einen Ar­beit­neh­mer ohne Beeinträchtigungen:

Macht ein schwer­be­hin­der­ter Ar­beit­neh­mer mehrfach unentschuldigt „blau“, darf er nicht mit einer Sonderbehandlung rechnen. Der Arbeitgeber wird bei erfolgloser Abmahnung eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht ziehen, wie bei jedem anderen Mitarbeiter auch.

Das Integrationsamt prüft, ob ein Zusammenhang zwischen Kündigungsgrund und Schwerbehinderung besteht.

Sie sind Arbeitgeber und wollen einen Antrag auf Zustimmung zu einer Kündigung stellen? Dazu sollten Sie den amtlichen Antragsbogen verwenden.

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Zusätzlich sollten Sie aber eine ausführliche Begründung in einem gesonderten Schreiben erstellen.

Unsere Fachanwälte für Arbeitsrecht unterstützen Sie gerne bei der Antragstellung!

a. Wie reagiere ich als Arbeitnehmer auf ein Schreiben des Integrationsamtes?

Wenn der Arbeitgeber beim Integrationsamt einen Antrag auf Zustimmung zu einer Kündigung gemäß § 85 SGB IX stellt, wird der Arbeitnehmer automatisch hierüber informiert. Das Integrationsamt übersendet dem Arbeitnehmer diesen Antrag zur Stellungnahme.

In der Regel bieten die Integrationsämter den Arbeitnehmern einen persönlichen Besprechungstermin in der Behörde an.

Als schwerbehinderter Arbeitnehmer sollten Sie von dieser Möglichkeit unbedingt Gebrauch machen. Nutzen Sie die Möglichkeit, dem Integrationsamt sämtliche Argumente vorzutragen, welche gegen eine Zustimmung sprechen können.

Wenn Sie hier ausreichend vortragen kann das Integrationsamt insbesondere auch eigene Nachforschungen anstellen. Mit der Erstellung einer solchen Stellungnahme an das Integrationsamt können Sie auch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht beauftragen.

Bedenken Sie: Selbst wenn eine ausführliche, gut begründete Stellungnahme nur dazu führt, dass das Integrationsamt erst etwas später die Zustimmung ausspricht, werden Sie in der Regel mindestens einen Monat zusätzliche Kündigungsfrist gewinnen. Die Kosten für die Erstellung einer Stellungnahme sind in aller Regel überschaubar.

Sofern Sie rechtsschutzversichert sind, ist auch diese Tätigkeit bereits gedeckt. Aus Erfahrung empfehlen wir Ihnen allerdings dringend, nicht selbst bei der Rechtsschutzversicherung anzufragen. Überlassen Sie es lieber Ihrem Rechtsanwalt, für Sie den Deckungsschutz bei der Rechtsschutzversicherung durchzusetzen.

Das sagen Mandatinnen über Croset - Fachanwälte

Ausnahmen: Wann muss das Integrationsamt nicht vorher angehört werden?

In bestimmten Fällen muss das Integrationsamt nicht zustimmen, wenn der Schwerbehinderte das Unternehmen verlässt.

Zustimmungsfrei ist das Ausscheiden

  • bei einer Kündigung innerhalb der ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses
  • wenn der Angestellte mit Schwerbehinderung selbst kündigt
  • wenn beide das Arbeitsverhältnis einvernehmlich beenden, etwa durch einen Aufhebungsvertrag
  • wenn das Arbeitsverhältnis befristet ist
  • wenn der schwerbehinderte Arbeitnehmer das 58. Lebensjahr vollendet und einen Anspruch auf Abfindung oder ähnliche Leistung hat

Kann ein schwerbehinderter Arbeitnehmer seinen Sonderkündigungsschutz verwirken?

Ja, das ist möglich. Es gibt Fälle, in denen sich der Schwerbehinderte nicht mehr auf seinen besonderen Kündigungsschutz berufen kann.

Auch er hat gewisse Spielregeln einzuhalten, damit die Risikoverteilung nicht nur zu Lasten des Arbeitgebers geht.

Zwei Punkte sind zu berücksichtigen. Diese werden folgend dargelegt.

a. Muss der Arbeitgeber von der Schwerbehinderung des Arbeitnehmers bei Ausspruch der Kündigung wissen?

Nein, zum Zeitpunkt der Kündigung nicht. Aber: Der Arbeitnehmer muss in­ner­halb von drei Wo­chen nach Zu­gang der Kündi­gung mit­teilen, dass er schwer­be­hin­dert ist.

Warum? 

Würde der Arbeitnehmer erst im Rahmen einer Kündigungsschutzklage kurz von einer gerichtlichen Entscheidung „die Katze aus dem Sack“ lassen, hieße das für den Arbeitgeber: die Kündigung wäre unwirksam und er müsste für mehrere Monate Gehalt nachzahlen, ohne Gegenleistung durch den schwerbehinderten Arbeitnehmer zu erhalten.

b. Muss die Schwerbehinderung zum Zeitpunkt der Kündigung anerkannt sein?

Nein. Im Prinzip greift der Sonderkündigungsschutz auch dann, wenn die Schwerbehinderung zum Zeitpunkt der Kündigung „nur“ objektiv vorhanden war.

Aber: Der Arbeitnehmer muss spätestens drei Wochen vor Zugang der Kündigung einen Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter gestellt haben.

Allein die vorherige Antragstellung genügt jedoch nicht – der Antragsteller darf die Feststellung der Schwerbehinderung nicht durch seine fehlende Unterstützung sabotieren.

Hinweis: Drei Wochen vor der Kündigung – drei Wochen nach der Kündigung sollte man als wichtige Zeitpunkte und als eine Art Daumenregel im Hinterkopf behalten.

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Das Integrationsamt hat zugestimmt – Was nun ?

Das Integrationsamt trifft bei ordentlichen Kündigungen in der Regel binnen 4 Wochen eine Entscheidung. Ausnahmen bestehen, wenn das Integrationsamt weitere Nachforschungen anstellt oder einen gemeinsamen Besprechungstermin mit Arbeitgeber und Arbeitnehmer ansetzt.

Sobald dem Arbeitgeber eine Zustimmung zu einer Kündigung vorliegt, darf der Arbeitgeber die Kündigung dem Arbeitnehmer zustellen. Der Ausspruch der Kündigung muss innerhalb von einem Monat nach Zustellung des Bescheids erfolgen.

Die Mindestkündigungsfrist beträgt 4 Wochen.

Der Arbeitnehmer kann gegen diesen Zustimmungsbescheid Widerspruch einlegen. Dabei muss er Fristen wahren! Die Einlegung eines Widerspruches ist in aller Regel sinnvoll. Der Widerspruch muss nicht sofort begründet werden.

Für den Arbeitgeber besteht das Risiko, dass im Widerspruchsverfahren die Zustimmung aufgehoben wird. Die Kündigung ist dann im Nachhinein unwirksam. Gegen die Kündigung muss der Arbeitnehmer natürlich trotzdem binnen 3 Wochen Kündigungsschutzklage einlegen.

Im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses ist der eingelegte Widerspruch gegen den Zustimmungsbescheid aber ein wichtiges Argument.

Der Arbeitgeber hat hier stets ein Risiko. Dieses wird bei Verhandlungen über eine Einigung oder eine Abfindung natürlich berücksichtigt.

Tipps für Arbeitnehmer

Der Nachweis der Schwerbehinderteneigenschaft, ist entbehrlich, wenn die Schwerbehinderung für den Arbeitgeber „offensichtlich“ ist. Dieser Punkt kann oft entscheidend sein.

Will sich der Arbeitnehmer darauf berufen, muss er die „Offenkundigkeit“ für den Arbeitgeber darlegen und beweisen.

Um dies unzweifelhaft aufzuzeigen, sollten sich Betroffene unbedingt anwaltlichen Rat einholen. Juristisch diskussionswürdig ist zudem immer wieder, wann der Arbeitnehmer seine Schwerbehinderteneigenschaft hätte nachweisen müssen.

Nutzen Sie Ihre Möglichkeit, bereits frühzeitig das Verfahren zu beeinflussen. Erstellen Sie eine ausführliche Stellungnahme an das Integrationsamt, bringen Sie alle Aspekte in das Verwaltungsverfahren ein!

Legen Sie gegen eine Zustimmung des Integrationsamtes zu einer Kündigung unbedingt fristgerecht Widerspruch ein!

Tipps für Arbeitgeber

In der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung sind noch viele Fragen zu zeitlichen Fristen offen, die Spielraum für juristische Argumentationen lassen:

Der Arbeitnehmer verwirkt seinen Sonderkündigungsschutz nicht unbedingt, wenn er den Arbeitgeber erst in der Klageschrift, im Rahmen einer Kündigungsschutzklage, über seine Schwerbehinderung informiert.

Welche Zeitspanne als angemessen anzusehen ist, um den Zugang der Information zu bewirken, hat das BAG jedoch noch nicht abschließend entschieden.

Unklar ist bislang z.B. auch der Zeitpunkt, bis zu dem die Schwerbehindertenvertretung beteiligt werden muss. Das BAG hat kürzlich „lediglich“ klargestellt, dass keine unverzügliche Anhörung bei einer Kündigung nötig ist.

Tipps für Arbeitgeber

  • Eine Schwerbehinderung kann auch vorliegen, ohne dass sie gleich erkennbar ist
  • Eine Schwerbehinderung liegt vor, ab einem GdB von wenigstens 50
  • Arbeitnehmer mit Schwerbehinderung stehen unter besonderem Kündigungsschutz
  • Sonderkündigungsschutz gilt auch für gleichgestellte Arbeitnehmer
  • Gilt der Sonderkündigungsschutz, muss das Integrationsamt der Kündigung zustimmen
  • Der Arbeitgeber hat vor der Kündigung die Zustimmung des Integrationsamtes einzuholen
  • Ohne Beteiligung des Integrationsamtes ist die Kündigung unwirksam
  • In besonderen Fällen ist die Zustimmung des Integrationsamtes entbehrlich, z.B. innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses
  • Lassen Sie sich von einem Fachanwalt beraten

Egal, ob man die Schwerbehinderung auf den ersten Blick erkennt oder nicht, eines gilt immer: betroffene Arbeitnehmer stehen unter besonderem Kündigungsschutz. Die Kündigung eines Arbeitnehmers mit Handicap ist aber nicht unmöglich; es gelten strengere Spielregeln, die der Arbeitgeber unbedingt beachten muss.

Der Sonderkündigungsschutz besteht für alle Arbeitnehmer mit Schwerbehinderung – egal, ob sie in der Chefetage sitzen oder sich in der Ausbildung befinden.

Als schwerbehindert gilt eine Person ab einem Grad der Behinderung (GdB) von wenigstens 50.

Die Schwerbehinderteneigenschaft muss entweder offensichtlich oder zum Zeitpunkt der Kündigung von der Behörde festgestellt worden sein.

Der Arbeitgeber hat vorab gegebenenfalls folgende drei Verfahren zu beachten:

  1. Beteiligung des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG
  2. Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung gemäß § 95 Abs. 2 SGB IX
  3. Antrag auf Zustimmung des Integrationsamtes gemäß § 85 SGB IX

Nein. Im Prinzip greift der Sonderkündigungsschutz auch dann, wenn die Schwerbehinderung zum Zeitpunkt der Kündigung „nur“ objektiv vorhanden war.

Aber: Der Arbeitnehmer muss spätestens drei Wochen vor Zugang der Kündigung einen Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter gestellt haben.

Bitte beachten Sie, dass unsere Ausführungen eine umfassende Rechtsberatung nicht ersetzen können und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Wenn Sie weitere Fragen haben oder eine ausführliche Beratung wünschen, nehmen Sie einfach Kontakt zu uns auf.

  • Pascal Croset
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